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Imaginär

Zu Françis POULENC Die menschliche Stimme

Premieren:
Rheinsberg 10. Juli 1999,
Aachen 17. Febr. 2001

In Aachen kombiniert mit
Die menschliche Figur
zu Musik von Helmut Lachenmann
und mit Live-Malerei von Helge Leiberg.


SIE ist eine Künstlerin. Sie lebt in ihrer eigenen Welt. Was sie sich nicht vorstellt, existiert nur schemenhaft. Sie ist hinter sich selbst zurückgetreten. Zum Zentrum ihres Lebens hat sie den Mann gemacht. Ihn betet sie an. Seit fünf Jahren lebt sie in der Angst, ihn zu verlieren und damit sich selbst.

Die Selbstaufgabe entzieht ihr den Boden. Sie wandelt in Fantasie- und Traumwelten. Wie eine Eurydike, wie eine Ariadne. Das Telefon ist die letzte Verbindung zum realen Leben, die letzte Lebensader. Mit einem ...t'aime... wird die durchtrennt.

Gerlinde Saeman (Mitte), Iris Sputh und Dieter Huelse

Mit dem Thema Liebe und Tod wird ein antiker topos neu interpretiert. Diese Frau gibt sich selbst auf und wird zur Bettlerin und zur Königin, zur Heiligen und zur Huren, zur Mutter und zum Kind. Sie stirbt aus Liebe. Aber was heißt hier Liebe, wenn die der Motor der Zerstörung wird?

Das Telefonat verläuft in drei Etappen. Es dient der Aufarbeitung ihrer Illusionen. Es soll den Weg zu einer Entscheidung ebnen.

• Repetition

Das Wiederaufnehmen der Verbindung, das Spannen des Kommunikationsfadens, das Senden von Gedanken, Vorstellungen, Gefühlen. Dieser imaginäre Weg teilt sich in Szenen der Erinnerung, das Aufspüren von Möglichkeiten des Lebens zu zweit. Ein Leben allein scheint ausgeschlossen.

• Fermate

Das Programm ist abgespult. Alles ist nochmals gesagt, durchlebt, durchforscht. Nun kommt der Haltepunkt, der Moment des Zögerns: Zeit gewinnen vor der letzten Entscheidung.

• Resumé

Ablegen, aufräumen, aussondern, einholen, einsammeln, entzaubern, sortieren, trennen, verabschieden, verbrennen, verlassen, zerschneiden, zerstören.

Gerlinde Saeman und Dieter Huelse in "Die menschliche Stimme" (Aachen)

Die zwei Tänzer, mit denen wir arbeiten, sind die imaginären Kräfte in ihr, die sie treiben, die ihr zustimmen, die sie ablehnen, mit denen sie ringt - Ebenen ihres Denkens und Fühlens.

Arila Siegert, 30.Mai 1999

Corinna Müller-Goldkuhle
hat in ihrer Disseration (2014 HfMDK Frankfurt/Main) eine detaillierte Analyse der Inszenierung erarbeitet.
Veröffentlicht ist sie unter dem Titel "Facetten der Einsamkeit in musikalischen Monodramen des 20. Jahrhunderts",
PL Academic Research,
Interdisziplinäre Studien zur Musik, Band 9.
Peter Lang Verlag Frankfurt/Main 2017, S. 531 ff
mit Video-Sequenzen

DE-F78
ISSN 1613-169X
ISBN 978-3-631-71759-2 (print)
E-ISBN 978-3-631-72261-9 (e-book)
E-ISBN 978-3-631-72262-6 (epub)
E-ISBN 978-3-631-72263-3 (mobi)
DOI 10.3726/b111123