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Beim Wort genommen

Aus Anlass der "Land des Lächelns"-Premiere
in derInszenierung von Peter Konwitschny
am 1.Juli 2007 an der Berliner Komischen Oper
hat sich ein Kritiker der Opernwelt (Jürgen Otten)
drei Tage später in eine Repertoire-Vorstellung
von Arila Siegerts Version in Dresden begeben.
Unter dem Titel "Beim Wort genommen"
kommt er dabei zu diesem bemerkenswerten Urteil:

...Aus der scheinbar lieblichen Operette wird [bei Konwitschny] ein Drama, wie es die Welt nicht gern sehen möchte, aber zu sehen genötigt ist. Sou-Chong und Lisa werden hier zu Synonymen der Unvereinbarkeit von Wunsch und Wirklichkeit. Indes: Es ist nicht der schlechte Charakter des Menschen, der die Liebe der beiden ins Unmögliche treibt. Es ist der Charakter der Politik, der dies erfordert.

Das ist an der Staatsoperette Dresden, wo Arila Siegert Lehárs Operette inszeniert hat (die musikalische Leitung liegt in den stilsicheren Händen von GMD Ernst Theis, im Grunde nicht anders. Liebe ist auch hier nur eine Möglichkeit. Aber, und das ist der entscheidende Unterschied zu Konwitschnys Pessimismus: Sie ist immerhin eine Möglichkeit. Während Konwitschnys von der Macht zerfressener Hegemon Sou-Chong die beiden Flüchtenden von Schergen ermorden lässt, weist ihnen in Dresden der zur Milde gewandelte Herrscher den Weg zur Tür: Sie dürfen gehen und weiter träumen von der Liebe wie Tristan und Isolde; nur anderswo.

Auch sieht die Regisseurin die Gesellschaft in einer anderen Rolle. Ist es für Konwitschny die Gesellschaft samt ihrer morbiden Verfasstheit per se, die den Einzelnen verwandelt und zur (unrühmlichen) Tat treibt, so sind es bei Siegert zivilisatorische Rückständigkeiten, die für das Scheitern der Zukunft verantwortlich zeichnen. Und fungiert die Gesellschaft eher wie eine lästige Gouvernante, die beständig um das Paar (Ingeborg Schöpf, Markus Petsch) herumschleicht und es mit Sanktionen belegt. Auch wahrt Siegert, worauf Konwitschny verzichtet, indem er ethnische Topoi nur als Chiffren benutzt, die Differenz zwischen Europa und China als eine Differenz zwischen zwei (sich fremden) Kulturen.

Es sind, der Abend begründet dies nachhaltig, jedoch nicht Differenzen zwischen einer weiter und einer wenig weit entwickelten Kultur. Es sind Differenzen zwischen denen, die das Sagen haben.


Auf Dauer kriegen sie sich nicht - Arila Siegert regiert „Das Land des Lächelns“

Gabriele Gorgas, Sächsische Zeitung, 24.Okt.2005

...Leicht hat es sich die Staatsoperette damit aber nicht gemacht – und das ist sie natürlich auch ihrem Ansehen schuldig. Sie verpflichtete für die Aufgabe die in Dresden als Tänzerin und Choreografin bestens bekannte, rundum in der Opernregie erfolgreiche Arila Siegert. Damit das Ganze frisch und frei und mit Bedacht auch noch gefällig sei. Dafür scheint Arila Siegert die rechte Frau zu sein, mit ihrer Lust zum Stilisieren und Arrangieren, dem gemeinsamen Vergnügen am Schauwert der Aufführung mit einem vielfach eingespielten Ausstattungsteam...

 

Bitte nicht lächeln!

B.M.Gruhl, DNN 24.Okt.2005

...Musikalisch sind die Protagonisten Lisa und Sou-Chong üppig ausgestattet. Ingeborg Schöpf verfügt über die vielfarbige und nuancenreiche Scala für die Partie, bei dramatischer oder elegischer Geste bleibt sie in der Leichtigkeit des Genres, Daniela Zanger setzt in dieser Rolle ihren schlanken, sehr hellen und jugendlichen Sopran ein. Der Prinz - allein oder im Duett - hat die Schmankerln zu singen. Das macht Barry Coleman mit Herz und tenoraler Kraft, auch dezent und elegant. Markus Petsch hat die metallischen Töne eines jungen Helden. Hans-Jürgen Wiese ist ein gravitätischer Sitten- und Gesetzeswächter in China und Hilmar Meier ein Graf in Wien, der aufs große Geschäft mit Fernost aus ist. Als Obereunuchen haben Christian Theodoridis oder Rainer König einige Lacher auf ihrer Seite. Roland Pietzsch ist in Wien Diener und Sekretär in China. Der Chor gibt Gesellschaft oder Hofstaat hier wie dort, geordnet, aufgestellt und arrangiert mit Porzellan und falschen Apfelblüten, wozu sich auch die stets gut gestimmten Damen und Herren des Balletts gesellen...

 

Immer nur lächeln?

Peter Zacher in SAX

… Die Leistung des Orchesters, die Ernst Theis aus dem Graben zaubert, ist bemerkenswert. Und bemerkenswert ist auch die Regie Arila Siegerts. Diese war lange Zeit gefeierte Solotänzerin in Dresden und hat sich in jüngerer Zeit einen Namen als Musiktheater-Regisseurin gemacht. Sie kann zwar keine bessere Geschichte erzählen, aber sie kann immerhin die Geschichte besser erzählen, indem sie den Figuren weitgehend die alten Klischees auszieht. Was herauskommt, sind einigermaßen glaubwürdige Personen und Handlungsstränge. Siegert denunziert die chinesischen Figuren nicht hochmütig, zeichnet sie seriös. Ob das ethnologischer Genauigkeit entspricht, muss nicht untersucht werden; die Gesetze des Genres sind andere. Das ist alles zwar kein realistische Theater, aber wohl das Maximum dessen, was heute aus dem Werk herausgeholt werden kann …

 

Bitte recht freundlich

J.Lange in klassik.heute

...„Dein ist mein ganzes Herz“ singt der allein zurückbleibende Prinz noch einmal, und diesmal klingt es wie ein traurig resigniertes Nachwort, das er seinem Versuch hinterher schickt, sich gegen die starre Tradition seiner Familie und seiner Heimatgesellschaft zu stemmen. Er lässt sich zwingen, vier einheimische Prinzessinnen zu heiraten und seine europäische Frau gehen zu lassen. In dieser Abschiedsszene steht Lisa mit entrücktem Blick und der Hand auf dem Herzen hinter ihm. Und auch der flotte Möchtegern-Bräutigam und Weltenbummler Gustl und die Schwester des Prinzen sind beim Finale weit voneinander getrennt. Er schickt ihr vom linken Bühnenrand wenigstens noch ein Papierschiffchen hinüber zur anderen Seite. Sie alle konnten zusammen nicht kommen...


Aus einer Zuschrift von Prof. Joachim Herz:

...Arila Siegert hat, so meine ich, sehr gute Arbeit geleistet. Sie hat das Stück nicht demoliert, sondern ernst genommen, und wo es auf Ulk angelegt ist, hat sie Ulk geboten. Das Stück liegt weit ab von allem, was ich im Theater sehen oder hören möchte, aber Arila Siegert hat für jede Musik und für jede Szene eine überzeugende Lösung gefunden und so mit Geschmack, dass man als Zuschauer sich nicht genieren muss, außerdem originell, optisch ergiebig, ohne aufdringlich zu werden.

Dass die Inszenierung anders ist, als man Land des Lächelns je gesehen hat, versteht sich am Rande: aber das ist nicht das Ziel, sondern das beiläufige Ergebnis der Methode. Heutige Heroen des Regietheaters, von Bayreuth bis Salzburg, könnten sich dicke Scheiben abschneiden ..., und man sollte die Regieklassen von Berlin und Hamburg hinein bugsieren, damit die jungen Herrschaften ... sehen, dass möglich ist, was sie für unmöglich halten: eine Inszenierung von heute für ein Stück von vorgestern, ohne sich mit hämischem Grinsen über das Stück zu erheben (was kein Kunststück ist) und ohne es zu "dekonstruieren", zu deutsch: es zu zertrümmern. Dazu muss man allerdings Regie können ...

Ganz nebenbei: Hier wurden wieder mal Fassungen studiert und ineinander verwoben, mit dem Blick eines heutigen Dramaturgen, der sein Fach versteht - die Fassung der gescheiterten Uraufführung und die des verflossenen Welthits. Schlussgag: Auf die letzten Takte des Nachspiels fährt quer über den ganzen Vorbühnensteg ein Papierschiffchen, drin eine Blume, die zuvor zwischen Prinzessin Mi und dem Gustl eine Rolle gespielt hat - hin zur beglückt am Ufer knienden Mi. Auf so was in diesem "Format", in diesem Moment, mit so viel dramaturgischer Klugheit und Sparsamkeit und mit so viel Herz sollte mal einer ... kommen....


Vorberichte:

Mal ernsthaft lächeln

Staatsoperette. Nach 13 Jahren Pause inszeniert Arila Siegert wieder in Dresden Lehárs Hit „Das Land des Lächelns“.

Von Bernd Klempnow, Sächsische Zeitung, 21. Oktober 2005

Die Zuckertüte hat es in sich. Wer Franz Lehárs Operette „Das Land des Lächelns“ wegen der unzähligen Schlager wie „Dein ist mein ganzes Herz“ und „Immer nur Lächeln“ als süßliche Schöpfung abtut, irrt. Es gibt wenige Werke des Genres, die derart fantasievoll überzeugende Klänge aus dem angeschlagenen Wiener Milieu der 20er Jahre wie auch einer fernöstlichen Welt in liedhaften Melodien malen. Ab heute – nach elf Jahren – läuft das Stück um eine scheiternde Liebe zwischen den Kulturen wieder an der Staatsoperette Dresden.

Mit ihm inszeniert – nach 13 Jahren – die Tänzerin, Choreografin und Regisseurin Arila Siegert wieder mal in ihrer Heimat. 1992 war ihr Tanztheater am Staatsschauspiel geschlossen worden: Sie verabschiedete sich mit dem existenziellen Abend „Fluchtlinien“. Danach war sie deutschlandweit unterwegs, gilt mittlerweile als eine der wichtigen Musiktheater-Regisseurinnen. Dass sie mit einer Operette wiederkehrt, dafür ist sie dankbar: „Mich interessiert jene Form von Theater, in dem Fall ganz stark die schöne Musik.“ Auch Intendant Wolfgang Schaller ist glücklich, der „den musikalisch-choreografischen Zugriff von Arila Siegert, ihre Art eines komplexen Musiktheaters“ schätzt.

Erstmals beschäftigt sich die 51-Jährige mit Operette. Den süßlichen Beigeschmack bezeichnet sie als lebensnotwendig. „Die Operette ist deshalb so nah an den Leuten, weil sie dem ständigen Wandel der Gemütszustände entspricht: Mal traurig, mal hoffnungsvoll, mal deprimiert, mal euphorisch.“

Mit interessanten Bildern gelang es der Regisseurin mit Musikchef Ernst Theis sowie den Ausstattern Hans Dieter Schaal und Marie-Luise Strandt, die Klischees des Genres zu brechen und doch wieder zu bedienen, eine teils dramatische Geschichte stimmungsvoll zu erzählen. „Ohne dieses schnelle und engagierte Ensemble ginge das nicht“, sagt die Siegert. „Der Stil der Operette ist ein eigener. Mehrsparten- oder Opernensembles beherrschen diese Tiefe im Leichten kaum.“

In zwei Wochen ist die Künstlerin zudem beim Frauenfestival „Tanzherbst“ zu erleben. Sie stellt ihr neues Solo „Liebe“ vor – „eine für mich existenzielle Arbeit in Choreografie und Tanz“. Arila Siegert ist wieder in Dresden – nicht nur weinend, nicht nur lachend.


"Vordergründige Aktualisierungen sind nicht nötig"

Boris Michael Gruhl, in: Dresdner Neueste Nachrichten 20.Okt.2005

Der Endspurt hat begonnen, die Proben laufen auf Hochtouren. An der Staatsoperette Dresden hebt sich am Freitag der Vorhang zur Premiere von Franz Lehárs Operette "Das Land des Lächelns". Angesichts des Hickhacks um Ja oder Nein zu Zukunft und Standort dieses Theaters, mutet die Textzeile eines Liedes aus dem Erfolgsstück zum Thema "Lächelnde Entsagung" wie ein Kommentar zur Situation an: "Immer nur lächeln..." Doch auch, um wenigstens angesichts des Stücks ein Lächeln in die Gesichter der Zuschauer zu zaubern, ist noch harte Arbeit nötig. Die Inszenierung einer Operette, noch dazu eines so komplexen und musikalisch höchst anspruchsvollen Werkes, ist kein Spaziergang.

Es ist spät geworden, kurz vor 22 Uhr. Nach einem langen Probentag gehen auch in der Operette die Lichter aus. Jetzt erst findet Arila Siegert Zeit für ein Gespräch. Ja, richtig gehört. Arila Siegert, einst Solotänzerin in Dresden, dann Chefin des Tanztheaters am Staatsschauspiel, weiter Tänzerin und auch Choreographin, seit Jahren zwischen Tartu in Estland, Rostock, Dessau, Chemnitz, Hannover, Aachen und Ulm - um nur einige Stationen zu nennen - als Opernregisseurin und Initiatorin außergewöhnlicher Musiktheaterprojekte unterwegs, stellt sich in Dresden mit ihrer ersten Inszenierung einer Operette vor.

Es klingt gar nicht verwunderlich, dass für diese Künstlerin die Begegnung mit der Operette spät kam. Nun aber, so erzählt sie, befinde sie sich mit Haut und Haar auf einem hochinteressanten Terrain des musikalischen Theaters. Hier finde die Fortführung des Singspiels im 20. Jahrhundert statt. Es gibt für sie keine Abgrenzung der Genres. Das sogenannte Leichte ist gar nicht leicht zu machen, wenn es gut sein, und der Begriff von der Unterhaltungskunst Erfüllung finden soll. Für die renommierte Choreographin und Regisseurin bedeutet diese Arbeit eine besondere Herausforderung im Hinblick auf das Streben nach angemessenen Formen im Musiktheater.

Beim "Land des Lächelns", einer Operette, die - wie Puccini mit exotischen Klangreizen, mit impressionistischem Zauber spielt - ganz sicher in Dimensionen der Oper hineinreicht, kommen wie selten in einem Werk dieser Gattung Liebesbeziehungen und gesellschaftliche Zusammenhänge zur Sprache. Wir begegnen Menschen mit großen Ansprüchen und ebenso großen Träumen. Zu große für die reale Basis, auf der sie sich jeweils befinden? Jedenfalls werden ihre Probleme nicht gelöst. Den Liebenden wird hier keine Erfüllung in den Schoß gewalzert, emotionale und kulturelle Barrieren bleiben, das "Land des Lächelns" ist für Comtesse Lisa nicht im exotischen China und für Prinz Sou-Chong nicht in Wien zu finden. Franz Lehár selbst sagte, dass er mit diesem Stück weg sei von "der Lüge des Happy-End".

Und doch, er bleibt in der Operette mit ihren witzigen Dialogen, der Musikalisierung und tänzerischen Bewegung ihrer Handlung. Dass die von ihren gefühlsmäßigen Irrungen und Wirrungen zutiefst bewegten Menschen auf der Bühne uns bewegen sollen, erklärt Arila Siegert zum Anspruch ihrer aktuellen Arbeit. Vordergründige Aktualisierungen sind für sie nicht nötig, Oberflächlichkeiten und Mittelwege verbieten sich. "Was wir sind, und was uns angeht", so die Regisseurin, "steht in den Stücken. Wir sind doch bestens unterhalten, wenn wir mit lachendem und weinendem Auge teilhaben an den Fragen der Menschen nach ihren Entscheidungen an den Knotenpunkten des Lebens."

Auf die Frage, als was sie sich denn nun bei diesem für sie neuen Genre stärker empfinde - als Regisseurin, Tänzerin oder Choreographin - antwortet Arila Siegert, dass sie zunächst Theatermensch sei. Über den Tanz sei sie zur Oper gekommen, und alles, was Menschen bewegt, interessiere sie, und jetzt natürlich, wie das in die Bewegung auf der Bühne zu übertragen ist. Siegert strebt visuelle und akustische Einheiten an. Angetan ist sie von der großen Individualität der Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles der Staatsoperette, von den starken Persönlichkeiten der Sängerinnen und Sänger, von der musikalischen Qualität bei Chor und Orchester. Das sei Freude und Herausforderung zugleich, mit einem solchen Ensemble zu arbeiten.

Und, klingt das spätabendliche Gespräch aus, es gehe darum, Menschen, gleich welcher Altersklassen, anzusprechen und zu unterhalten. Nicht zu vergessen: Arila Siegert, Absolventin der Palucca Schule, zog von Dresden aus in die Welt, denn mit ihren aus der Tradition deutschen Ausdruckstanzes entwickelten Soloabenden reiste sie bis nach Australien und Amerika. Darauf, wie die von Sensibilität und Freundlichkeit gegenüber Menschen und Werken geprägte Künstlerin "ihre Welt" in die der romantischen Operette einbringt, dürfen wir gespannt sein. Arila Siegert arbeitet mit Hans-Dieter Schaal als Bühnenbildner und Marie-Luise Strandt als Kostümbildnerin im bewährten Team. Die musikalische Leitung hat Ernst Theis.